1
"Leezenflow" nennt sich der innovative Grüne-Welle-Assistent, der Radfahrerinnen und Radfahrern zu einer flüssigeren Fahrt verhilft. Dieses Tool macht es möglich, Ampelschaltungen vorauszusehen und so die Fahrt durch die Stadt effizienter und angenehmer zu gestalten. An verschiedenen Punkten entlang der Promenade und sechs weiteren Velorouten (asphaltierte, autofreie Fahrradstraßen) durch Münster erleichtert Leezenflow den täglichen Radverkehr. LED-Displays, strategisch zwischen 100 und 200 Metern vor Ampeln positioniert, nutzen einen Farbverlauf, um anzuzeigen, ob die nächste Ampel bei Grün passierbar ist. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Radfahrenden und die Entfernung zur Ampel sind dabei ebenso Teil der Berechnung wie die Dauer der Grünphase. Möglich wird dies durch die Echtzeit-Kommunikation zwischen der Ampel und der jeweiligen „Leezenflow-Anzeige“.
Das Hauptziel von Leezenflow ist es, das Radfahren in Münster noch attraktiver zu machen. Nicht nur der Komfort und die Sicherheit der Radfahrerinnen und Radfahrer stehen im Fokus, sondern auch die städtische Lebensqualität profitiert: Weniger Rotlichtverstöße, reduzierter Lärm und verbesserte Luftqualität auf den ausgestatteten Routen werden erwartet. Indem es die Attraktivität des Radfahrens steigert, leistet Leezenflow zudem einen wesentlichen Beitrag zur Mobilitätswende und fördert eine nachhaltige Entwicklung der Stadt.
Was macht die Smart City Lösung besonders wirkungsvoll? Wie kann Ihre Kommune davon profitieren, die Lösung übertragen und nachhaltig nutzen? Entdecken Sie hier die Schlüsselfaktoren für den Erfolg dieser Lösung.
Erfolgsfaktoren zur Zielerreichung
Erfolgsfaktoren zur Zielerreichung
Iterativer Konzeptions- und Umsetzungsprozess
Das Zusammenspiel aus Verwaltung, technischen Umsetzungspartnern, Hochschule und Universität war ausschlaggebend für den Erfolg des iterativen Konzeptions- und Umsetzungsprozesses. Die umfassende Testphase des Prototyps inklusive seiner Evaluation stellte sicher, dass sich die Situation für die Zielgruppe der Radfahrenden tatsächlich verbesserte und Sicherheitsrisiken nicht anstiegen. Die Einführung von Leezenflow an neun weiteren Standorten auf den Velorouten der Stadt griff auf Erkenntnisse aus dem Prototyp zurück. Dies führte zu Optimierungen vorrangig hinsichtlich einer verbesserten Anzeige sowie der Implementierung der sogenannten Vehicle-to-Everything-Technologie (Möglichkeit der Kommunikation zwischen Ampel und Fahrzeugen). Diese bringt verbesserte Prognosen und platzsparende Hardware mit sich.
Nutzung vorhandener Daten
Die Nutzung bereits vorhandener Daten zu Durchschnittsgeschwindigkeiten auf verschiedenen Routen im Radverkehr, generiert in vergangenen Radverkehrsprojekten in der Stadt, ermöglicht eine präzisere Prognose der Erreichbarkeit von Ampeln für Radfahrende. Eine wesentliche Komponente dabei ist die Synchronisation der Daten aus der Ampelschaltung mit den Informationen aus Leezenflow. Durch die Integration von Daten aus beiden Quellen lassen sich Ampelschaltungen effizient steuern.
Erfolgsfaktoren zur Übertragbarkeit
Erfolgsfaktoren zur Übertragbarkeit
Nicht-proprietäre Software- und Hardware-Komponenten
Die Entscheidung für nicht-proprietäre Software- und Hardware-Komponenten ermöglicht eine leichte Übertragbarkeit der Lösung. Zum Einsatz kommt der internationale OCITv3-Standard: Die grundständige Software ist sofort einsatzfähig, wenn die nötige Hardware vorhanden ist, Für die Leezenflow-Geräte können Gehäuse und Hardware entsprechend der detaillierten Anleitung eigenständig montiert werden.
Beschreibung der Komponenten und Dokumentation zum Nachbauen online
Die umfangreiche Dokumentation des Gehäuse-Designs, der verwendeten Hardware-Komponenten, der benötigten Zeit zur Montage sowie des Codes ermöglichen die genaue Nachvollziehbarkeit aller Bestandteile der Lösung und gewährleisten eine leichte Übertragbarkeit (Dokumentation zu finden unter: https://github.com/bCyberGmbH/leezenflow-doku/). Die Lösung hat bereits das CityLAB Berlin im Projekt „Kottiflow” aufgegriffen.
Erfolgsfaktoren zur Verstetigung
Erfolgsfaktoren zur Verstetigung
Wirksamkeitsmessung und Optimierung anhand von Analysen
Die kontinuierliche Evaluierung der Lösung spielt eine zentrale Rolle für ihre Verstetigung. Durch regelmäßige Rückmeldungen und Analysen wird nicht nur die Wirksamkeit sichergestellt, sondern auch Raum für bedarfsgerechte Optimierungen wie zum Beispiel technische Neuerungen geschaffen.
Abgleich der Ist- und Soll-Daten
Die gesammelten Ist- und Soll-Daten der Ampelschaltung ermöglichen perspektivisch eine noch präzisere Steuerung des Radverkehrs auf Basis der gesammelten Daten. Mithilfe der Vehicle-to-Everything-Technologie besteht mittelfristig – durch gezielte Reaktionen der Ampelschaltung auf den Radverkehr – die Möglichkeit einer weiteren substanziellen Optimierung für mehr Fahrradfreundlichkeit.
Verstetigung über bestehenden Ampelbetrieb
Der Betrieb der Leezenflow-Geräte ist im Rahmen des ohnehin anfallenden Betriebs für Ampelanlagen weiter gesichert. Nichtsdestotrotz sind bei der Planung ein gewisses Vandalismus-Risiko sowie Wetterauswirkungen miteinzukalkulieren, die zu erhöhten Kosten beispielsweise durch einen Geräteausfall führen können.
Weitere Informationen
Ausgangsbedingungen und Ziele
Ausgangsbedingungen und Ziele
Lokale Herausforderungen
Münster, aufgrund mehrerer Hochschulen ein bedeutender Wissenschaftsstandort, befindet sich geografisch zwischen dem Ruhrgebiet und Osnabrück. Die Stadt gilt als fahrradfreundlich und besitzt einen Radverkehrsanteil mit über 40 Prozent an der Gesamtmobilität. Aufgrund ihrer Lage zieht die Stadt jedoch verstärkt auch einen Pendlerverkehr aus den umliegenden Kleinstädten an. Dieser ist größtenteils motorisierter Individualverkehr (MIV).
Im Sinne einer klimafreundlichen und nachhaltigen Mobilitätswende gilt es daher vor allem, ein hohes Verkehrsaufkommen durch den MIV zu mindern und alternative Verkehrsmittel auszubauen. Smarte Lösungen der Verkehrssteuerung tragen dazu bei, Verkehrsmittel abseits vom motorisierten Individualverkehr effizienter, sichererer und somit attraktiver zu gestalten. Radfahrende sind dabei eine wichtige Zielgruppe. Hier gilt es, die Attraktivität des Radverkehrs weiter zu steigern, indem Schnelligkeit, Komfort und Sicherheit verbessert werden. Mithilfe innovativer technischer Lösungen wie Leezenflow kann auf zentralen Radrouten eine substanzielle Optimierung erreicht werden.
Planungsziele
Münster plant mit seiner Smart-City-Strategie, die Lebensqualität und Verkehrssicherheit durch digitale Technologien zu verbessern. Besonders im Bereich "Mobilität und Verkehr" ist ein ausgewogener Verkehrsmix entscheidend für eine bessere Luftqualität und weniger Lärm.
Indem Leezenflow auf den Hauptrouten des Münsteraner Radverkehrsnetzes eingesetzt wird, trägt das System zur (Sicherheits-)Optimierung für möglichst viele Radfahrende bei und schafft darüber hinaus eine Verbesserung der Radverbindungen ins Umland. Dies steigert die Attraktivität des Radverkehrs und unterstützt auch den Pendelverkehr entscheidend.
Ansatz zur Wirkungsmessung
Die Maßnahme ist erfolgreich, wenn die beschlossenen Leezenflow-Geräte implementiert sind und funktionieren. Darüber hinaus soll die Wirkung im Sinne der Zielerreichung gemessen werden. Dazu ist eine Evaluation geplant, die die Akzeptanz der Bevölkerung mit Blick auf die Nutzung von Leezenflow erhebt (vor allem die Beachtung der Geräte, Geschwindigkeitsänderungen aufgrund des Leezenflows). Die Ergebnisse daraus werden in Q3 2024 veröffentlicht.
Für eine umfangreiche Wirkungsmessung im Sinne der Planungsziele könnten darüber hinaus noch folgende Parameter gemessen werden:
- Verbesserung der subjektiv wahrgenommenen Fahrradfreundlichkeit (unter anderem ADFC-Ranking)
- (Veränderung der) Radverkehrsintensität auf den Teilen der Velorouten mit Leezenflow
Luftqualität und Lärmpegel entlang der Leezenflow-Routen
Entwicklung und Umsetzung
Entwicklung und Umsetzung
Prozessschritte
Leezenflow wurde in einem agilen, iterativen Prozess entwickelt. Die erste Idee für die Lösung entstammt dem Hackathon „Münsterhack 2019“. Die Stadtverwaltung griff die Idee auf und setzte sie mithilfe einer Förderung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur als Prototyp um. Die erste Leezenflow-Anzeige testete die Stadt an der Münsteraner Promenade ab Mai 2021 in der Praxis und evaluierte sie durch Befragungen von Bürgerinnen und Bürgern sowie anhand von Verkehrsbeobachtungen und Messungen vor Ort.
Im Rahmen der Förderung als Modellprojekt Smart Cities baute die Stadt Münster Leezenflow basierend auf den Testergebnissen und der Evaluation in folgenden Schritten aus und entwickelte Leezenflow weiter:
- Identifikation neun weiterer Standorte für Leezenflow-Geräte (drei davon ebenfalls an der Promenade, sechs an den Velorouten der Stadt)
- Konzeption der Weiterentwicklung von Leezenflow durch:
- neue LED-Visualisierung, welche eine Gelbphase berücksichtigt
- Einbezug von Streckendurchschnittsgeschwindigkeiten in die Berechnung der Erreichbarkeitsvorhersage für die Ampel
- Integration der Road-Side-Unit (zur Kommunikation mit der Ampel) in das Anzeigegerät
- Einbau von Vehicle-to-Everything-Antennen
- Einbau von Sensoren für Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck und Eingangsspannung
- Einbau von LTE-Routern für Fernzugriff und Monitoring der Geräte
3. Anfertigung und Installation von neun weiteren Leezenflow-Geräten
4. Aufrüstung des bestehenden Leezenflow-Gerätes an der Promenade
5. Funktionstest aller installierten Geräte
6. begleitende Evaluation
7. Erstellung eines Erklärvideos sowie eines Vorführgerätes zur Kommunikation
Governance
Innerhalb der Organisationsstruktur der Stadt Münster ist die Stabsstelle Smart City für die Koordination der Maßnahme zuständig. Die Stabsstelle arbeitet innerhalb der Stadtverwaltung kollaborativ mit dem Amt für Mobilität und Tiefbau (Fachstelle Verkehrsmanagement und Smart Mobility), dem Stadtplanungsamt (Fachstelle Baudenkmalschutz und -pflege) und dem Amt für Presse und Öffentlichkeitsarbeit zusammen.
Für die Implementierung wurde mit der Fachhochschule Münster (Entwicklung des Gehäuses), der Universität Münster (Evaluation des Prototyps), dem Ingenieurbüro nts (Begleituntersuchung der neuen Standorte und der aktualisierten Visualisierung) sowie den Firmen Swarco, Ampeltechnik, und bCyber GmbH (Leezenflow-Programmierung und
-Herstellung), der Firma Gipfelgold GmbH (Erklärvideo-Produktion) sowie der Initiative Code for Münster zusammengearbeitet. An der Geräteanbringung sind das Ordnungsamt und die Polizei beteiligt.
Kosten bei Beschaffung und Betrieb
Personalkosten | Sachkosten | Investive Kosten | |
Anschaffung | Richtwert: 15 Wochenstunden über einen Zeitraum von ca. 12 Monaten (Projektleitung für die Gesamtkoordination) |
Die Umprogrammierung der Ampelanlagen kostet pro Ampel rund 10.000 Euro. Die Umprogrammierung dient über den Radverkehr hinaus insgesamt der Vehicle-to-Everything-Technologie, also der Möglichkeit der Kommunikation zwischen Geräten und damit auch zum Beispiel der Busbeschleunigung.
|
Die Kosten sind abhängig von der Standortwahl, dem Installationsaufwand (zum Beispiel zusätzlicher Aufwand zur Befestigung, zusätzliche Kosten bei nicht bestehender Strom- und Datenverbindung) und der Anzahl der Geräte. Die Kosten für Herstellung und Programmierung eines Leezenflows haben ca. 12.000 € betragen, dazu kommen noch ca. 1.400 € für eine On-Board-Unit. Dazu kommen noch die Kosten für die Stromversorgung, die zwischen 1.000 € für einen Akku und bis zu circa 6.000 € für einen Stromanschluss liegen. |
Betrieb | / | / | / |
Die Gesamtkosten von 300.000 € sind als Obergrenze zu verstehen und wurden für die Installation von 10 Geräten in Münster (Installation, Testbetrieb, Evaluation und Beginn der Verstetigung) benötigt. Die Geräte sind Prototypen und wurden mit dem 3D-Drucker gedruckt. Die Kosten sollten mit steigendem Erfahrungswert sinken.
Partizipation und Kommunikation
Die Ursprungsidee von Leezenflow entstand bottom-up während des Hackathons „Münsterhack 2019“ und bildete die Bedarfslage im Münsteraner Radverkehr ab. Die Evaluation während des Tests des ersten Prototyps wurde unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt, um Funktionalität und Sicherheit der Lösung sicherzustellen. Dabei bestätigte sich, dass für die Mehrheit der Nutzenden eine Optimierung ihres Fahrverhaltens möglich war.
Die Auswahl der Gerätestandorte ist ein kommunalpolitischer Prozess, den man in Abstimmung mit den jeweiligen Bezirksvertretenden vornahm. Eine gute kommunikative Begleitung der Maßnahme Leezenflow (Social Media, Westfälische Nachrichten, Erklärvideo) ist notwendig, um die Technologie in der Breite verständlich zu machen und Akzeptanz zu schaffen.
Technische Infrastruktur
Leezenflow ist eine Open-Source-Lösung, die unter Berücksichtigung der notwendigen Hardware eigenständig implementiert werden kann, ohne dass es proprietärer Soft- oder Hardware bedarf. Alle Daten zur Lösung sind in einem GitHub Repository unter Creative Commons BY-NC-SA 4.0 Lizensierung verfügbar: https://github.com/bCyberGmbH/leezenflow-doku
Der Code für Leezenflow ist in Python geschrieben und wird im Repository zur Verfügung gestellt: https://github.com/bCyberGmbH/leezenflow-code. Zentrale Funktionalitäten sind: Auslesen der Ampelschaltung über Daten aus dem Ampel-Steuergerät, Berechnen der Vorhersage für die Erreichbarkeit der Ampel in einer Grünphase bei gegebener Durchschnittsfahrgeschwindigkeit sowie Anzeige der Vorhersage über Leezenflow.
Empfehlungen für Komponenten der Leezenflow-Anzeige und der benötigten Hardware inklusive detaillierter Bauanleitungen stehen hier zur Verfügung: https://github.com/bCyberGmbH/leezenflow-doku/blob/main/case.md.
Die Anzeige besteht aus einem Gehäuse und folgenden zentralen Hardware-Bestandteilen: Mini-Prozessor (Rasberry Pi und Betriebssystem Linux), Speicherkarte, Sensor für Temperatur, Eingangsspannung sowie Luftdruck und -feuchtigkeit, LTE-Router, Satelliten-Navigations-Antenne (GNSS), Cellular-Vehicle-to-Everything (C-V2C)-Antenne, LED-Panele. Diese werden im Gehäuse verbaut.
Es ist zu berücksichtigen, dass jedes Leezenflow-Gerät initial eingerichtet werden muss. Die Programmierung des Algorithmus ist abhängig von der Entfernung des Geräts zur Ampel.
Datengrundlagen
Die Daten, die im Rahmen von Radverkehrsprojekten in Münster gesammelt wurden, wie etwa „Stadtradeln“ und „Dein AppGrade“, wurden verwendet, um die Vorhersage der Erreichbarkeit von Ampeln durch die Durchschnittsgeschwindigkeiten des Radverkehrs auf stark frequentierten Strecken zu präzisieren. Mit der Implementierung der Lösung werden nun Ist- und Prognosedaten der Ampeln gesammelt. Diese werden mehrfach pro Sekunde über die Vehicle-to-Everything-Technologie (OCIT-Standard, sogenanntes SPaT-Telegramm) per Funk (mittels der Road-Side-Unit) gesendet. Prognosen lassen sich so zukünftig für den spezifischen Anwendungsfall des Radverkehrs weiter präzisieren.