Radfahrer auf einer Straße mit Bäumen und Häusern
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Resilienzdenken als Schlüssel für eine widerstandsfähige Smart City

Digitale Lösungen können für resilientere, also widerstandsfähigere Kommunen sorgen. Sie bergen diesbezüglich aber nicht nur Chancen, sondern auch Risiken, beispielsweise durch Cyberangriffe auf städtische Infrastrukturen. Wie können Kommunen die Potenziale der Digitalisierung nutzen und gleichzeitig Risiken minimieren?

14.12.2023

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Kreisförmige Grafik zu den Resilienzmerkmalen Redundanz, Modularität, Diversität, Feedback-Loops
Quelle: Eigene Darstelllung (KWB, Difu)

In der Praxis zeigt sich bereits, wie die Digitalisierung zu widerstandsfähigen städtischen Systemen beitragen kann. Die Datenverfügbarkeit durch Sensoren wächst, der Austausch erfolgt durch Informations- und Kommunikationstechnologien schneller und effizienter. Die Echtzeitverarbeitung von Daten und darauf aufbauende Analysen und Prognosen helfen dabei, notwendige Anpassungen rasch zu erkennen und Informations- und Kommunikationsflüsse zu beschleunigen. So können beispielsweise Monitoring- und Frühwarnsysteme, die auf Feuchtigkeitssensoren in öffentlichen Grünflächen oder Gewässern basieren, die Handlungsfähigkeit von Kommunen im Kontext der Klimaresilienz stärken – sei es, um bei einem plötzlichen Starkregenereignis schneller zu reagieren oder während eines Hitzesommers trockene Böden oder Pflanzen zielgerichtet zu bewässern.

Neue Risiken für die kommunale Resilienz durch Digitalisierung

Zunehmende und ausdifferenzierte Datenströme, komplexe Verzahnungen sowie komplizierte Steuerungstechnik sorgen gleichzeitig aber auch für vulnerable und störungsanfällige Infrastrukturen von Städten. Das zeigt besonders die steigende Zahl von Cyberattacken auf deutsche Kommunen in den letzten Jahren.

Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz von Smart Metern: Die Verbrauchszähler zeigen indirekt, ob oder wann jemand zuhause ist, und lassen sich so beispielsweise zur Planung von Einbrüchen nutzen. Denn sie erfassen detailliert, wann in welchem Haushalt welche Geräte in welcher Intensität verwendet werden, und leiten diese Infos in Echtzeit an die Energieversorger weiter. Entsprechend sollten diese Daten nicht in die falschen Hände gelangen. Auch für Hackerangriffe bieten Smart-Meter-Schnittstellen Einfallstore in die gesamte kommunale Kommunikationsinfrastruktur. Daher braucht es für solche intelligenten Messsysteme hohe Sicherheitsanforderungen. 

Resilienzdenken: Bewusstsein für ein integriertes resilientes Handeln 

Das zeigt: Kommunen müssen sowohl die Chancen als auch die Risiken der Digitalisierung im Blick behalten. Der Fokus muss klar auf einer integrierten Herangehensweise liegen: Konzepte für eine resiliente Stadtentwicklung und die Gestaltung einer resilienten Digitalisierung sind in bestehende kommunale Prozesse sowie Strategien und Rahmenwerke zu integrieren. Die vielerorts bereits laufenden Prozesse zur Erarbeitung einer Digitalstrategie bieten beispielsweise die große Chance, Leitlinien für resiliente Systeme direkt zu integrieren.

Neben einer strategischen Einbettung braucht es bei allen Akteuren ein entsprechendes Bewusstsein für die Relevanz eines integrierten resilienten Handelns. Ein solches „Resilienzdenken” kann dabei helfen, die vielfältigen Chancen und Risiken aktueller sowie zukünftiger Entwicklungen im städtischen System umfassend zu berücksichtigen und vorausschauende Maßnahmen und Strategien zur Bewältigung zu entwickeln.

Vier Merkmale resilienter urbaner Systeme als Hilfsmittel für Resilienzdenken 

Wie können Kommunen dieses Resilienzdenken konkret bei sich verankern? Dafür braucht es zunächst ein grundlegendes Verständnis darüber, was ein resilientes System überhaupt ausmacht. Vier wesentliche Merkmale resilienter Systeme sind Feedback-Loops, Modularität, Diversität und Redundanz.

Feedback-Loops: Lernen aus Erfahrungen

Feedback-Loops: Lernen aus Erfahrungen

Bunte Illustration einer Stadt mit viel Grünfläche und Wasserflächen
© KWB/Sonja Sterling

Mit Feedback-Loops überwachen und bewerten Kommunen Entscheidungen und Maßnahmen, um so Erkenntnisse für zukünftige Planungen zu gewinnen. Durch Rückkopplungsschleifen lassen sich Fehler identifizieren und zukünftig vermeiden, aber auch erfolgreiche Ansätze verstärken. Sie stellen sicher, dass Kommunen aus vergangenen Erfahrungen lernen und sich kontinuierlich weiterentwickeln.

Beispiele für digitale Feedback-Loops sind das Echtzeit-Monitoring und urbane Prognosetools. So lassen sich wie im vom Bund geförderten Berliner Projekt „Smart Water” anhand von Daten zu Temperatur oder Niederschlag Hotspots in der Stadt identifizieren und passende blau-grüne Infrastrukturmaßnahmen entwickeln. Auch im Projekt „SMARTilience” führten   kommunale Akteure Feedback-Loops ein, um Maßnahmen zur Anpassung an den Klimaschutz und die Klimafolgen datengestützt und partizipativ zu analysieren. Dabei verbesserten Visualisierungen von möglichen Maßnahmen sowohl die Kommunikation zwischen den städtischen Organisationseinheiten als auch den Prozess der Bürgerbeteiligung.

Modularität: Flexibilität durch Teilbarkeit

Modularität: Flexibilität durch Teilbarkeit

Modularität bezeichnet die Aufteilung von Systemen oder Strukturen in eigenständige Einheiten, die miteinander verbunden sind. In einer Stadt bedeutet dies, dass verschiedene Bereiche oder Funktionen unabhängig voneinander agieren können, aber dennoch in der Lage sind, zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen. Dies schafft Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, da Veränderungen oder Ausfälle in einem Bereich nicht zwangsläufig das gesamte System beeinträchtigen und Kommunen somit Kaskadeneffekte vermeiden können.

Im Smart-City-Kontext sorgt eine modulare Datenarchitektur mit standardisierten Schnittstellen dafür, dass sich eine Datenplattform ausbauen lässt. Ein Open-Source-Ansatz ermöglicht es beispielsweise, einzelne Module und Anwendungen kontinuierlich weiterzuentwickeln. Das stärkt die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Plattform (z. B. Open Smart City-App Solingen).  

Auch für den Katastrophenschutz spielt Modularität eine wichtige Rolle: Ein abgekoppeltes Kommunikationsnetz schützt besonders bei Hochwasser, bei dem das Risiko von ausfallenden Strom- und Telekommunikationsnetzen groß ist, zivile Infrastrukturen und Menschenleben. Dieses Ziel verfolgt etwa das Projekt „lokik“ des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE: Durch spezielle IT-Hardware, die autark und unabhängig vom Stromnetz funktioniert, können Kommunen die Kommunikation an allen WLAN-fähigen Endgeräten sicherstellen. Zusätzlich lassen sich über eine Software Schadensmeldungen aufgeben und Rettungs- oder Hilfseinsätze koordinieren.

Diversität: Stärke durch Vielfalt

Diversität: Stärke durch Vielfalt

Blick auf die Photovoltaik-Anlage
Die Photovoltaik-Anlage ist ein fester Bestandteil der eigenerzeugten Energie in Haßfurt. Quelle: Stadtwerk Haßfurt GmbH

Diversität spielt in der Stadtentwicklung eine essenzielle Rolle, da sie Raum für Wandlungsfähigkeit bietet. Bei einer Störung steht eine größere Bandbreite an Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung, um ein Problem auf unterschiedliche Weise anzugehen.

Eine dezentrale Energieversorgung mit unterschiedlichen erneuerbaren Energiequellen stärkt beispielsweise die Resilienz, da sie sowohl die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern als auch die Versorgungssicherheit bei Nachfrageschwankungen erhöht. Ein solches Beispiel findet sich in Haßfurt, das der Bund seit 2019 als Modellprojekt fördert. Zusätzlich zu einer dezentral aufgestellten Energieversorgung durch Wind-, Solar- und Wasserkraft stärkt die Organisation in Teilnetzen die Diversität. Beispielsweise versorgt ein Nahwärmenetz Haßfurter Neubauviertel: Ein Erd- und Biogas-Blockheizkraftwerk produziert sowohl Wärme als auch Strom, ergänzt durch eine Solarthermieanlage. Erst die Digitalisierung ermöglich jedoch eine stabile Energieversorgung, da die Kommune mithilfe digitaler Tools aktiv auf Schwankungen reagieren kann.

Redundanz: Sicherheit durch Mehrfachlösungen

Redundanz: Sicherheit durch Mehrfachlösungen

Redundanz bedeutet, dass eine Stadt mehrere Lösungen oder Ressourcen für dieselben Probleme oder Bedürfnisse bereithält und damit die Funktion des gesamten Systems sicherstellt. Dies schafft Sicherheit und Robustheit, da Ausfälle oder Engpässe in einem Bereich durch Alternativen aufgefangen werden können. Im Bereich der Klimaanpassung steigt die Bedeutung von redundanten Rückhalteräumen wie Auen, die bei Hochwasser genügend Raum für die über die Ufer tretenden Flüsse bereitstellen und dadurch bewohnte Gebiete vor Überflutung schützen.

Mit der Digitalisierung erweitern sich die Optionen, redundante Räume zu schaffen: Der Onlinemarktplatz  hilft dem Einzelhandel beispielsweise dabei, auch während einer Pandemie über „Click & Collect“ weiterhin seine Waren zu verkaufen.   Tools für Onlinemeetings ermöglichen das gemeinsame Arbeiten trotz Kontaktbeschränkungen. Über digitale Plattformen lassen sich auch Angebot und Nachfrage etwa zu leer stehenden Immobilien oder ungenutzten (privaten) Freiflächen zusammenbringen, wie zum Beispiel im Projekt „Plattform Land”. Durch das Verfügbarmachen von Informationen zu vorhandenen Flächenressourcen können Kommunen dieses Potenzial effizienter nutzen.

Urbane Resilienz integriert und ganzheitlich betrachten

Grundsätzlich helfen die vier vorgestellten Struktur- und Prozessmerkmale dabei zu verstehen, welche Faktoren die Resilienz eines Systems wie beeinflussen. Darüber hinaus geben sie Denkanstöße für die Entwicklung von Handlungsansätzen, die die Resilienz urbaner Systeme umfassend erhöhen können. Die Merkmale resilienter Systeme lassen sich dabei nicht immer klar voneinander abgrenzen. Im Gegenteil: Für die Stärkung der Resilienz ist gerade ihr Zusammenspiel von Bedeutung. Kommunen sollten sie demnach ganz im Sinne der integrierten Stadtentwicklung komplementär zueinander betrachten.

Verstehen kommunale Akteure die Merkmale resilienter Systeme in ihren Zusammenhängen und Wirkweisen, lassen sie sich auf viele Bereiche der kommunalen Praxis übertragen. In Zeiten zunehmender und multipler Krisen und eines beschleunigten Wandels ist ein solches Resilienzdenken ein pragmatischer Ansatz, um vielfältigen Herausforderungen strategisch zu begegnen.

Einen tieferen Einblick in beispielhafte Maßnahmen und strategische Ansätze zur Stärkung der urbanen Resilienz bei Smart-City-Vorhaben liefert die im Rahmen der Begleitforschung der KTS entstandene Studie „Resilienz in der Smart City – Wie Kommunen besser mit Krisen umgehen und proaktiv eine nachhaltige Zukunft gestalten können”.

 

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autorin oder des Autors wieder. 

Resilienz in der Smart City

Wie Kommunen besser mit Krisen umgehen und proaktiv eine nachhaltige Zukunft gestalten können
Erscheinungsjahr 2023
Autorinnen und Autoren

Lisa Dreier

Deutsches Institut für Urbanistik
Beratung und Forschung