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Bevölkerungsschutz in der Smart City: Sicherheit und Krisenfestigkeit durch smarte Technologien

Innovative, datenbasierte Ansätze wie das Tsunami-Frühwarnsystem in Tokio oder Hochwasserschutzprojekte wie in Münster können Städte widerstandsfähiger machen und so die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger verbessern.

20.12.2023

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Die Idee der Smart City ist eng mit Innovation und Effizienz verbunden. Viele Kommunen setzen sich zum Ziel,  Ressourcen durch Smart-City-Ansätze optimal zu nutzen und insgesamt die Lebensqualität ihrer Bevölkerung zu steigern. Dabei sollten sie auch die Bedürfnisse der Bevölkerung nach Sicherheit und Schutz nicht aus dem Blick verlieren. Eine der Lehren aus bisherigen Krisen ist, dass effektiver Bevölkerungsschutz nicht nur auf übergeordneter nationaler Ebene von entscheidender Bedeutung ist. Kommunen sind oft die ersten, die mit den Auswirkungen von Pandemien oder mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert sind und konkrete Antworten auf die Frage finden müssen, wie sie in solchen Situationen die Bevölkerung schützen können. Daher müssen sie durch entsprechende Technologien nicht nur effizienter, sondern auch sicherer und widerstandsfähiger gegenüber verschiedenen Krisenszenarien werden.

Infografik zum Bevölkerungsschutz
Abbildung 1: Flussdiagramm für Technologien im Krisen- und Katastrophenmanagement (grün: reale, blau: virtuell. eigene Darstellung nach Neven/Viergutz 2023)

Smart-City-Technologien im Bevölkerungsschutz

Krisen- und Katastrophensituationen stellen eine große Herausforderung für Kommunen dar. Laut einer Untersuchung der Vereinten Nationen sind fast 60 % der Städte mit einer Bevölkerung von über 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern Naturgefahren ausgesetzt. In Anbetracht dieser Statistik braucht es intelligente Technologien zur Sicherung der Bevölkerung und ihrer Umwelt. Drei Kategorien von Technologien lassen sich unterscheiden:

Technologien für die Datensammlung und -verwaltung

Die Datensammlung und -verwaltung sind die Grundpfeiler eines effektiven Krisenmanagements. Hier kommen Technologien wie Cloud-Computing, das Internet der Dinge (IoT) und Big Data ins Spiel. Sie ermöglichen eine Echtzeitdatenerfassung, eine Skalierbarkeit von Datenspeicherung und -verwaltung sowie eine verbesserte Entscheidungsfindung. Inmitten einer Krisen- oder Katastrophensituation können diese Technologien entscheidend sein, da sie es den Behörden ermöglichen, relevante Informationen zu sammeln und vorhandene Ressourcen effizient einzusetzen.

Technologien für die Datenverarbeitung und -analyse

Die zweite Kategorie konzentriert sich auf die Verarbeitung und Analyse der gesammelten Daten. Hier sind Technologien wie Blockchain, künstliche Intelligenz (KI) und Frühwarnsysteme von Bedeutung. Sie ermöglichen es, Informationen präzise zu verarbeiten und Krisen- oder Katastrophensituationen schnell vorher zu sagen. KI kann beispielsweise Muster in den Daten erkennen und dabei unterstützen, Probleme und Risiken zu identifizieren. Diese fortschrittlichen Analysetools sind der Schlüssel zur effektiven Bewältigung von Krisen.

Technologien zur öffentlichen Beteiligung

Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist ein wichtiger Bestandteil des Krisenmanagements. Insbesondere soziale Medien, Living Labs und Crowdsourcing bieten vielfältige Möglichkeiten, die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Behörden im Verlauf einer  Krisen- und Katastrophensituation zu fördern oder überhaupt erst zu ermöglichen. Die Bürgerschaft selbst kann Informationen teilen, Hilfe anfordern oder auf Ressourcen zugreifen. Auch das stärkt die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaft und liefert weitere Ansätze, um Krisen oder Katastrophen erfolgreich zu bewältigen.

Entsprechend dieser drei Kategorien brauchen Kommunen einen ganzheitlichen Ansatz für ein intelligentes Krisen- und Katastrophenmanagement. Darin sollten sie den physischen Bereich, der die realen Bedingungen widerspiegelt, mit dem digitalen Bereich verbinden (siehe Abb. 1). Dafür werden zunächst Daten erfasst, verarbeitet und analysiert. Die Ergebnisse der Analyse werden visualisiert, um entsprechende Informationen in der realen Welt zu kommunizieren, die sich wiederum auf die gegebenen Bedingungen auswirken. Dieser Ansatz ermöglicht eine effiziente Vorbereitung auf und Bewältigung von Krisen und Katastrophen, indem er aktuelle Daten und Analysen nutzt, um die Ressourcen effektiv einzusetzen.

Technologiebasierte Maßnahmen für den Bevölkerungsschutz in Smart Cities

Folgende Städte zeigen beispielhaft auf, wie sich innovative Technologien und Maßnahmen nutzen lassen, um Bevölkerungsschutz in Smart-City-Konzepte zu integrieren:

Tokio: Tsunami-Frühwarnsystem

Tokio, eine der durch Tsunamis weltweit massivst gefährdeten Städte, setzt innovative Technologien ein, um Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Seit dem verheerenden Erdbeben und Tsunami von 2011 investiert Japan verstärkt in die Verbesserung und den Ausbau von Frühwarnsystemen. Das System basiert auf einem mehrstufigen Ansatz und kombiniert hochentwickelte Sensoren und Kommunikationstechnologien, um frühzeitig entsprechende Gefahren zu erkennen. Sobald es über die seismische Überwachung einen Tsunami detektiert, sendet das System Warnungen an die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt. Die Bevölkerung gewinnt dadurch wertvolle Minuten, um sich in Sicherheit zu bringen. Vorab ausgearbeitete Evakuierungspläne und deren Vermittlung an die Bevölkerung sind dabei essenzielle Bestandteile, die das Risiko von Tsunamischäden minimieren. Abbildung 2 zeigt exemplarisch ein solches Frühwarnsystem für den Fall von Erdbeben. 

Bild eines Flusses
Kleines Fließgewässer in Münster, an dem im Rahmen von "SafeStream" Daten zur Gefahren- und Risikoanalyse erfasst werden. Stadt Münster

Eichenzell und Münster: Hochwasserschutz

Auf nationaler Ebene, genauer gesagt in Eichenzell, wird ein innovatives interkommunales Frühwarnsystem für Starkregen implementiert. Durch die Integration von Pegel-, Niederschlags- und Kanalsensoren, kombiniert mit künstlicher Intelligenz und Wetterprognosen, ermöglicht das System die Echtzeitüberwachung von Gefahrenlagen. Bei drohenden Gefahren werden alle relevanten Akteure frühzeitig alarmiert, von der Bevölkerung bis zu Rettungsdiensten, um präventive Maßnahmen einzuleiten. Das Starkregenfrühalarmsystem berücksichtigt zudem lokale Gegebenheiten, unterstützt durch Starkregengefahrenkarten, um spezifische Risikobereiche zu identifizieren und die Gemeinde vor drohenden Naturkatastrophen zu schützen. Der datengetriebene Ansatz ermöglicht eine fundierte Entscheidungsfindung, und schützt die gesamte Kommune vor den Gefahren durch Starkregen.

Mit einer sehr ähnlichen Herausforderung beschäftigt sich auch das Modellprojekt Münster. Das Projekt „SafeStream“ führt Hochwasserrisikoanalysen für kleine Fließgewässer durch, mit denen sich potenzielle Überschwemmungsrisiken bei extremen Niederschlägen bewerten lassen. Diese Informationen ermöglichen es den Behörden, gezielte Schutzmaßnahmen zu planen und die Bewohnerinnen und Bewohner im Extremfall frühzeitig zu warnen.

Kassel: Sichere Mobilität

Die Stadt Kassel möchte im Projekt „Smart Safe Mobility“ eine mobile App umsetzen. KI-Technologien sollen genutzt werden, um die Sicherheit und Qualität des Fuß-, Fahrrad- und ÖPNV-Verkehrs im städtischen Raum zu verbessern. Die datenschutzkonforme Sammlung und Analyse von Bewegungsdaten von Verkehrsteilnehmern soll dabei die Grundlage für die Detektion von Verkehrsströmen und kritischen Begegnungspunkten schaffen. Eine weitere Überlegung zur  Ausgestaltung des Projektes umfasst  die Umsetzung einer "Car-to-X-Kommunikation", die bei kritischen Verkehrssituationen einen visuellen Warnhinweis an das Display der Fahrzeuge oder akustische Signale an ÖPNV-Nutzende, Fußgänger und Radfahrende übermittelt. 

Handlungsempfehlungen

Folgende Empfehlungen bieten eine Orientierungshilfe für Kommunen, die Smart-City-Technologien für den Bevölkerungsschutz nutzen möchten:

Datenanalyse als Ausgangspunkt

Datenanalyse als Ausgangspunkt

Der Schlüssel zu einem effektiven Bevölkerungsschutz liegt in den Daten. Im ersten Schritt sollten Kommunen daher vorhandene Daten analysieren und die Prognosen zu den zu erwartenden Gefahren überprüfen. Die Prognosen stützen sich größtenteils auf historische Daten. Die Analyse dieser Daten und die Erfassung neuer Datengrundlagen ermöglichen es, die Gefahrenprofile der Stadt besser zu verstehen und gezielte Maßnahmen zu planen.

Bewertung der aktuellen Maßnahmen

Bewertung der aktuellen Maßnahmen

Bestehende Präventionsmaßnahmen müssen Kommunen sowohl auf digitaler als auch auf konventioneller Ebene sorgfältig bewerten und evaluieren. Dies sollte auf allen Maßstabsebenen geschehen, angefangen bei Einzelgebäuden bis hin zu Bezirken und der gesamten Stadt. Die Bewertung hilft dabei, Stärken und Schwächen zu erkennen und Verbesserungen zu identifizieren.

Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten

Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten

Der Weg zu einer intelligenten Krisen- und Katastrophenbewältigung erfordert Wissen und Fähigkeiten in den Schlüsselkategorien intelligenter Technologien wie digitale Zwillinge oder Fernerkundung. Kommunen sollten in die Schulung und Entwicklung dieser Fähigkeiten investieren, um die Integration von Technologien in den Bevölkerungsschutz zu ermöglichen.

Klare Zielsetzungen und individuelle Anforderungen

Klare Zielsetzungen und individuelle Anforderungen

Bei der Auswahl der richtigen Smart-City-Technologien sollten Kommunen sich ihrer aktuellen Probleme im Zusammenhang mit dem Bevölkerungsschutz bewusst sein. Es ist wichtig, die individuellen Anforderungen und Einschränkungen der Kommune zu berücksichtigen. Nicht alle Technologien passen zu jeder Herausforderung, daher sollte die Auswahl sorgfältig erfolgen und darauf aufbauend entsprechende Ziele formuliert werden.

Eine sicherere und widerstandsfähigere Zukunft

Smart Cities eröffnen die Möglichkeit, die Krisenfestigkeit von Kommunen zu stärken, indem sie eine schnellere Reaktion auf Gefahren ermöglichen. Während smarte Technologien das Auftreten von Krisen oder Katastrophen nicht verhindern können, dienen sie doch dazu, die Widerstandsfähigkeit zu steigern und die Bevölkerung vor potenziellen Gefahren zu schützen.

Literatur

BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2019: Tsunami-Frühwarnsystem. Schnelle Warnung vor der Welle. Zugriff: https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/kurzmeldungen/de/tsunami-fruehwarnsystem-schnelle-warnung-vor-der-welle.html [abgerufen am 31.10.2023].

BMWSB – Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, o. J.: Smarter Hochwasserschutz (Strategiephase). Smart Cities Wissensspeicher. Zugriff: https://www.smart-city-dialog.de/wissensspeicher/smarter-hochwasserschutz-strategiephase [abgerufen am 29.11.2023].

BMWSB – Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, o. J.: SafeStream: Hochwasserrisikoanalyse an Kleinfließgewässern. Smart Cities Wissensspeicher. Zugriff: https://www.smart-city-dialog.de/wissensspeicher/safestream-hochwasserrisikoanalyse-kleinfliessgewaessern
[abgerufen am 29.11.2023].

BMWSB – Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, o. J.: Smart Safe Mobility: besonders gefährdete Verkehrsteilnehmende schützen und Unfälle verhindern – mit innovativer KI-Technologie für eine sichere und klimafreundliche Mobilität. Zugriff:  https://www.smart-city-dialog.de/wissensspeicher/smart-safe-mobility-besonders-gefaehrdete-verkehrsteilnehmende-schuetzen-und [abgerufen am 29.11.2023].

Neven, J.; Viergutz, K., 2023: Smart Solutions for Municipal Flood Management: Overview of Literature, Trends, and Applications in German Cities. Smart Cities 2023, vol. 6 (2), 944–964. Zugriff: https://doi.org/10.3390/smartcities6020046 [abgerufen am 31.10.2023].

Oesch, J., 2023: Erdbeben wie in der Türkei vorherzusagen, überfordert Seismologen. Doch es gibt andere Warnmöglichkeiten. Zugriff: https://www.nzz.ch/wissenschaft/die-vorhersage-von-erdbeben-wie-in-der-tuerkei-ist-nicht-moeglich-ld.1724969 [abgerufen am 31.10.2023].

Samarakkody, A.; Amaratunga, D.; Haigh, R., 2023: Technological Innovations for Enhancing Disaster Resilience in Smart Cities: A Comprehensive Urban Scholar’s Analysis. Sustainability 2023, 15, 1–22. Zugriff: https://doi.org/10.3390/su151512036 [abgerufen am 31.10.2023].

Shi, Y.; Liu, X.; Kok, S.-Y.; Rajarethinam, J.; Liang, S.; Yap, G.; Chong, C.-S.; Lee, K.-S.; Tan, S.; Chin, C.; Lo, A.; Kong, W.; Ng, L.; Cook, A., 2016: Three-month real-time Dengue Forecast Models: An early warning system for Outbreak alerts and policy decision support in Singapore. Environmental Health Perspectives, vol. 124 (9): 1369–1375. Zugriff: https://doi.org/10.1289/ehp.1509981 [abgerufen am 31.10.2023].

Vereinte Nationen, 2018: The World’s Cities in 2018 – Data Booklet. Department of Economic and Social Affairs, Population Division: San Francisco.

Weiterer Lesetipp:

Resilienz in der Smart City

Wie Kommunen besser mit Krisen umgehen und proaktiv eine nachhaltige Zukunft gestalten können
Erscheinungsjahr 2023
Autorinnen und Autoren
Antonia Burgold

Antonia Burgold

Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO)
Urban Governance Innovation ; Studentische Hilfskraft