Flusslandschaft mit Pflanzen und kleiner Brücke
Umweltamt Stadt Wolfsburg

Digitale Lösungen für nachhaltiges Wassermanagement

Unser Umgang mit der lebensnotwendigen Ressource Wasser entscheidet über die Entwicklung von Städten und Ökosystemen. Wie können digitale Lösungen die Zukunft der Wasserbewirtschaftung gestalten – in Deutschland, aber auch in der EU?

11.01.2024

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Europas Gewässer stehen unter wachsendem Druck. Landwirtschaftliche und industrielle Nutzung sowie die zunehmende Urbanisierung führen zu Verschmutzung, Übernutzung und Veränderungen der Wasserressourcen. Die EU-Initiative Digital.Water.City (DWC) evaluierte deshalb 15 digitale Lösungen in fünf europäischen Städten – Berlin, Kopenhagen, Mailand, Paris und Sofia –, die auf unterschiedliche Herausforderungen im Wassersektor einzahlen. Neben den Bemühungen dieser europäischen Städte zielen auch einige MPSC-Maßnahmen darauf ab, digitale Lösungen zum Schutz und zum verbesserten Management von Wasser zu entwickeln. Als Koordinator von Digital.Water.City unterstützt das KWB Kompetenzzentrum Wasser Berlin geförderte und nicht geförderte Kommunen bei der Vernetzung rund um smartes Wassermanagement.

Digitale Technologien bieten große Chancen, die drängenden Herausforderungen im Umgang mit Wasser anzugehen: Sie können das Management von Wasserinfrastrukturen erheblich verbessern und zu effizienten und widerstandsfähigen Kommunen beitragen. Die Bandbreite der Lösungen reicht von Sensoren zur Echtzeitüberwachung von Pegelständen und Gewässerqualität über maschinelles Lernen zur Erstellung von Prognosen und Frühwarnsystemen bis hin zu Tools, die Entscheidungen zur sicheren Wasserwiederverwendung unterstützen.

Saubere Gewässer durch Echtzeitüberwachung und Frühwarnsysteme

Eine vielversprechende Lösung, die die EU-Initiative Digital.Water.City erprobt hat, ist die Echtzeitüberwachung der Gewässerqualität. Während es auf dem herkömmlichen Weg von der Probenahme aus dem jeweiligen Gewässer bis zu den Laborergebnissen etwa zwei Tage dauert, kann das ALERT-System ohne Verzögerung in Echtzeit vor einer gesundheitsgefährdenden Bakterienkonzentration (Escherichia Coli oder Enterokokken) im Wasser warnen. Ein solches Warnsystem dient nicht nur dem Monitoring von Badestellen. Auch Trink- und Abwasserversorger können das System einsetzen, um die Qualität des Trinkwassers ebenso wie des gereinigten Abwassers in Echtzeit zu überwachen und – wenn nötig – Maßnahmen zu ergreifen. 

Einen Schritt weiter geht die Anwendung SWIM:AI: Sie ist eine Plattform zur Modellierung von Frühwarnsystemen zur Badegewässerqualität. Basierend auf maschinellem Lernen lassen sich Frühwarnsysteme für tagesgenaue Vorhersagen zur Badegewässerqualität entwickeln. Um die Bakterienkonzentration in bestimmten Flussabschnitten vorauszusagen, nutzt die Anwendung zahlreiche lokale Daten, etwa zu Niederschlag, Fließgeschwindigkeit oder Wassertemperatur. Die Anwendung ist Open Source und basiert auf der FIWARE-Referenzarchitektur für Echtzeitdatentransfer.

Wassersensorik in Wolfsburg

Ein ähnliches Projekt setzt das Modellprojekt Smart Cities (MPSC) in Wolfsburg um: Die Kommune hat in drei Gewässern Sensorik verbaut, um die Wasserqualität zu überwachen. Ziel ist es, rechtzeitig ein „Umkippen“ der Seen zu verhindern – also einem Sauerstoffmangel im Wasser vorzubeugen, der unter anderem ein massenhaftes Sterben der Fischpopulation zur Folge hat. Des Weiteren erheben Sensoren an zehn Grundwassermessstellen die Pegelstände und geben die Daten per LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) in Echtzeit weiter. Dieses Vorgehen ermöglicht eine zuverlässige und regelmäßige Datenerhebung. Ein Frühwarnsystem soll dem städtischen Umweltamt und den Wolfsburger Entwässerungsbetrieben anschließend ermöglichen, die Lage basierend auf den erhobenen Daten zu bewerten und frühzeitig notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Die Stadt Wolfsburg plant zudem historische Verlaufsdaten auszuwerten, um sie in die Entwicklung präventiver Maßnahmen einfließen zu lassen.

Ein Mann steht mit einem Laptop auf einer Wiese und erfasst Daten
Stadt Wolfsburg

Falsche Kanalanschlüsse finden und Verschmutzung vorbeugen

Doch wodurch entstehen erhöhte Bakterienkonzentrationen, die Gewässer verschmutzen und im schlimmsten Fall ein „Umkippen“ zur Folge haben? Eine mögliche Ursache ist beispielsweise der Mischwasserüberlauf bei Starkregenereignissen. Auch bei getrennten Kanalsystemen für Regen- und Schmutzwasser kann es durch unzulässige Anschlüsse an das Regenwasserkanalnetz zur Verschmutzung kommen. Solche unzulässigen Anschlüsse entstehen meist durch unbeabsichtigte Fehler beim Bau oder bei der Reparatur von Abwasserkanälen und verunreinigen das Oberflächengewässer teilweise erheblich. Falsche Anschlüsse in einem großen Kanalnetz zu finden, gleicht allerdings der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Eine von der DWC-Initiative erprobte Lösung nutzt dafür zwei Arten von Sensoren, nämlich elektrische Leitfähigkeits- und Multiparametersensoren in Kombination mit einer IoT-Einheit (KANDO's Smart Unit). Die Sensoren messen die elektrische Leitfähigkeit des Durchflusses im Regenwasserkanalnetz. Basierend auf dem kontinuierlich gemessenen Signal zur elektrischen Leitfähigkeit und dem Vorwissen über typische Werte von Regen- und Schmutzwasser ist es möglich, zwischen beiden Strömungen zu unterscheiden und somit falsche Anschlüsse von Schmutzwasser an das Regenwasserkanalnetz zu finden. Es hat sich gezeigt, dass diese Lösung zehnmal effizienter und um mehr als zwei Drittel günstiger ist, als die herkömmliche visuelle Inspektion (zum Beispiel bei einer Schachtinspektion), mit der sich Hotspots unzulässiger Anschlüsse im Netzwerk eingrenzen lassen.

Smarte Entwässerung in Lemgo und Kalletal

An der Überprüfung und Pflege des Entwässerungssystems arbeitet auch das Modellprojekt Smart Cities Lemgo und Kalletal, vor allem um Überlastungen bei Starkregen zu vermeiden. Bisher überprüfen und warten die Kommunen dafür regelmäßig die Entwässerungssysteme. Bei ihren Kontrollen finden sie hauptsächlich verstopfte Sinkkästen, also gusseiserne Gitter mit darunterliegenden Fangkörben zur Entwässerung von öffentlichen Straßen, oder stellen die Verstopfung und damit den falschen Abfluss von Abwasser im Kanal fest. Die Kontrolltermine, die gemäß einem festgelegten Zeitplan erfolgen, liegen in den meisten Fällen allerdings wenig effizient: Entweder lässt sich kein Schaden feststellen oder die Entwässerungssysteme sind schon länger schadhaft. 

Zukünftig soll deshalb das Projekt „Smarte Entwässerung“ mithilfe von digitalen Sensoren die Notwendigkeit eines Serviceeinsatzes anzeigen, um Einsätze zielgerichteter und potenziell kostengünstiger zu gestalten. Die Überprüfung durch Sensoren zielt darauf ab, verstopfte Sinkkästen an die zuständige Verwaltung und die Stadtwerke zu melden, um unmittelbar einen Serviceeinsatz einzuleiten. Des Weiteren soll eine digitale Kopie des Entwässerungssystems entstehen, um die getrennten Teilnetze besser miteinander zu verbinden und die Wasserverteilung bei Starkregen zu optimieren.

Die Zukunft von Wasser in der Smart City

Die Herausforderungen im Bereich Wasser sind vielfältig – und somit auch die Bandbreite an digitalen Lösungen für Kommunen. Neben den vorgestellten Ansätzen zur Überwachung und Vorhersage der Gewässerqualität sowie des Managements von Kanalnetzen können digitale Lösungen im Bereich der Wasserwiederverwendung eine wichtige Rolle bei der Transformation hin zu einem nachhaltigen Wassermanagement bieten. Hier seien beispielsweise Tools für die Entscheidungsunterstützung zur sicheren Wasserwiederverwendung oder für das Matchmaking zur landwirtschaftlichen Nutzung des gereinigten Abwassers genannt. Diese und weitere Lösungen hat die EU-Initiative Digital.Water.City erprobt, einige davon mit vielversprechenden Aussichten. Andere müssen weiter getestet und angepasst werden, um zukünftig effiziente und kostengünstige Möglichkeiten bereitzustellen. Weitere Informationen zu den einzelnen Lösungen, den Abschlussbericht mit Evaluationsergebnissen sowie eine reichhaltige Sammlung an Projektberichten und Handreichungen finden Sie auf der Webseite Digital.Water.City.

Es lohnt sich also, über den Tellerrand hinauszuschauen und von internationalen Initiativen wie DWC zu lernen. Auch die Möglichkeit zur Weiterentwicklung von bereits vorhandenen Open-Source-Lösungen sollten Kommunen prüfen, bevor sie sich für die Entwicklung einer eigenen Lösung entscheiden. Der Wissensaustausch kann Synergien hervorrufen, Ressourcen bündeln oder sogar zu Kooperationen führen. Ein vernetztes und gemeinsames Arbeiten an digitalen Lösungen ist in jedem Falle essenziell für die benötigte schnelle und effiziente Transformation hin zu einem nachhaltigen Umgang mit der kostbaren Ressource Wasser.

 

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