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Von New York bis Rosenheim arbeiten Kommunen in internationalen Netzwerken und Initiativen zusammen, um gemeinsam digitale Lösungen für drängende Herausforderungen wie Hitzewellen, Hochwassergefahren oder die Bedrohung durch Cyberangriffe zu entwickeln. In solchen internationalen Partnerschaften lernen Akteure nicht nur voneinander, sondern können auch gemeinsam innovative, nachhaltige digitale Konzepte erarbeiten, die weit über einzelne Regionen hinausreichen. Dieser Beitrag lädt auf eine virtuelle Reise um die Welt ein und beleuchtet, wie Kommunen in Deutschland von Erfolgsbeispielen aus anderen Ländern lernen und gleichzeitig ihren Beitrag zu einer vernetzten und zukunftsfähigen Lösungsgestaltung leisten können.
Gemeinsam geht mehr
Smarte Städte und Regionen bieten viele Potenziale für eine nachhaltige Stadtentwicklung und damit die Chance, den drängenden Herausforderungen unserer Zeit auch auf lokaler Ebene zu begegnen. Smart-City-Maßnahmen erfolgreich umzusetzen, erfordert allerdings die koordinierte Zusammenarbeit vieler Akteure, nicht nur innerhalb der kommunalen Verwaltung, sondern weit darüber hinaus. Neben einer Smart-City-Strategie sind daher auch diejenigen wichtig, die sie umsetzen: Smart-City-Managerinnen und -Manager, entsprechende Teams oder eigene Fachbereiche, gerade in größeren Städten und Regionen. So bündeln Kommunen ihre Anstrengungen und treiben sie mit Blick auf übergeordnete Ziele weiter voran.
Passende Formate auswählen
Doch wo fängt man am besten an, um sich mit Smart-City-Fachleuten aus anderen Ländern zu vernetzen und Erfolgsbeispiele auszutauschen? Aus der Fülle der Initiativen und Formate die passenden herauszusuchen, ist nicht immer einfach. Eine erste Übersicht verschiedener Angebote für Smart-City-Erfahrene und -Newcomer, die international gemeinsam diskutieren, arbeiten oder lernen wollen, ist hilfreich. Deshalb bietet dieser Beitrag eine Hilfestellung bei der Suche nach Projekten, die zu kommunalen Bedürfnissen passen.
Dafür muss man noch nicht einmal in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt hier ganz nah: Einerseits fördert das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) spezielle Initiativen und Programme. Andererseits gibt es abseits der Bundesförderung weitere Initiativen. Dazu zählen die Initiative „living-in.eu“, das EDIC CitiVERSE, das FinEst Centre, die United Nations University (UNU) und das Studienprogramm PIONEER.
Gemeinsam diskutieren: Internationale Netzwerke und Initiativen
Eine ganze Reihe von Angeboten und Formaten widmet sich der Vernetzung und Unterstützung von Smart-City-Akteuren und dem Austausch von Erfolgsbeispielen über Grenzen hinweg.
Das Smart Communities Network
Ein erster Schritt in diese Richtung ist das „Smart Communities Network“, das sich an die Newcomer in der Smart-City-Szene richtet. Eingebettet in die EU-geförderte Vernetzungsplattform living-in.eu verfolgt das Netzwerk das Ziel, all jene Städte und Gemeinden EU-weit zu unterstützen, die noch ganz am Anfang ihrer digitalen Reise stehen. Für sie gibt es Workshops zu Tools und Instrumenten, die sie auf dem Weg hin zu einer smarten Stadt unterstützen.
Für Deutschland ist das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) der erste Anlaufpunkt des Netzwerks und hat im Rahmen der diesjährigen Smart Country Convention (SCCON) in Berlin im Oktober 2024 den Workshopauftakt ausgerichtet, im Herbst folgen drei Online Trainings, in denen ein detaillierter Einblick in die Themen „Digitale Zwillinge“, „Digitale Reife messen“ und „Finanzierungsmöglichkeiten“ gegeben wird.
Diese Trainings sind offen für alle, die sich für smarte Städte und Regionen in der EU interessieren und mehr über bestehende Instrumente und konkrete Unterstützungsmöglichkeiten erfahren wollen. Im zweiten Training („Digitale Reife messen“) stellen wir beispielsweise LORDIMAS vor, ein Instrument, mit dem Kommunen EU-weit strukturiert ihre digitale Reife in sieben Bereichen evaluieren können, etwa im Bereich „Governance“ oder „Interoperabilität“. Basierend auf dieser Analyse können Kommunen im Anschluss eine detaillierte, auf vier Jahre ausgerichtete Roadmap erhalten, in der notwendige Aktivitäten zur Steigerung der digitalen Reife aufgeführt sind.
Das International Smart Cities Network
Das „International Smart Cities Network“ (ISCN) wiederum, gefördert durch das BMWSB, richtet sich zwar nur an Mitglieder, macht aber seine Ergebnisse und Ressourcen allen potenziell Interessierten zugänglich. Das Netzwerk besteht aktuell aus den Mitgliedern Brasilien, Deutschland, Indien, Mexiko und Peru. Neben kurzen Inputs zu Smart-City-Projekten und -Beispielen von jeweils 30 Minuten, die regelmäßig virtuell angeboten werden und allen offen stehen, stellt das Netzwerk auch Erfahrungen aus Peer-to-Peer-Learnings und Online-Beratungen zur Verfügung. Zudem bietet es eine vollständig nachnutzbare Marketplace-App an, über die lokale Einzelhändler ihre Produkte einfach und kostengünstig digital zum Verkauf anbieten können – ohne sich dabei von großen Privatunternehmen abhängig zu machen.
Gemeinsam arbeiten: Von der Vision in die Umsetzung
Weltweit engagieren sich Städte in diesen und anderen Netzwerken, um die Potenziale der Digitalisierung für eine integrierte und gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung zu realisieren. Was eine smarte Stadt oder Region ausmacht, was genau gemeinwohlorientiert und nachhaltig bedeutet oder wie die Lebensqualität für eine Gesellschaft mit Hilfe von digitaler Technologie gestaltet werden sollte, darüber gibt es wohl so viele Meinungen wie Akteure. Deshalb setzen immer mehr Institutionen und Organisationen auf die Entwicklung gemeinsamer Leitlinien, die das Handeln auch grenzüberschreitend begründen sollen, darunter auch die Vereinten Nationen mit der Entwicklung der Internationalen Leitlinien zu menschenzentrierten Smart Cities.
Diese Richtlinien stellen einen normativen Rahmen dar, mithilfe dessen Städte und Kommunen weltweit ihre eigene Smart-City-Arbeit steuern und menschenzentriert, nachhaltig und inklusiv gestalten können. Die Leitlinien enthalten konkrete Handlungsempfehlungen und Aktivtäten für Städte, aber auch für andere Smart-City-Akteure wie Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen, in insgesamt sieben Handlungsfeldern. Diese reichen von Nachhaltigkeit über digitale Bildung bis hin zu wirtschaftlicher Entwicklung. Entwickelt wurden die Leitlinien in einem partizipativen Prozess von einem Team aus Expertinnen und Experten aus 25 Ländern. Jetzt wird der Prozess für alle geöffnet. Noch bis zum 17. November 2024 können Stakeholder weltweit zu den Leitlinien Stellung beziehen und digital ihre Perspektiven einbringen. 2025 werden die Leitlinien dann veröffentlicht.
Während die Leitlinien zwar einen wegweisenden, aber keinen bindenden Charakter haben werden, gibt es andere Programme, die eine gemeinsame Vision einer smarten Stadt umsetzen. Hierzu zählt auf europäischer Ebene unter anderem das EDIC CitiVerse, an dem sich nicht nur EU-Mitgliedstaaten, sondern auch interessierte Kommunen beteiligen können. Der Verbund verknüpft etwa Projekte im Bereich „Digitale Zwillinge“ EU-weit miteinander, nimmt aber auch die gemeinsame Weiterentwicklung KI-basierter Smart-City-Lösungen in den Blick. So entstehen Kooperationen und Pilotprojekte, von denen Kommunen unmittelbar profitieren können.
Wer gute Ideen (oder Probleme) hat, aber wenig eigene Ressourcen zur Umsetzung, kann sich vielerorts an Forschungs- und Innovationszentren wenden, die bei der Entwicklung und Umsetzung von smarten Lösungen unterstützen. Eines dieser Zentren ist das FinEst Centre for Smart Cities im estnischen Tallinn, der europäischen „Hauptstadt der Digitalisierung“. Es bietet mit der „Smart City Challenge“ europäischen Städten regelmäßig die Möglichkeit, Themen für Smart-City-Entwicklungen einzureichen, für die Forschende dann Lösungen vorschlagen. Teams aus kommunalen Akteuren entwickeln gemeinsam mit den Forschenden dann die Lösungsideen weiter – die besten und gut umsetzbaren Konzepte werden als Pilotprojekte gefördert, die jeweils aus mindestens einer estnischen und einer weiteren europäischen oder internationalen Stadt gebildet werden.
So werden beispielsweise ab dem kommenden Jahr in Tartu (Estland) und in zwei irischen Städten Möglichkeiten des KI- und sensorgestützten Wassermanagements erprobt. Von dem Programm profitieren besonders Kommunen, die aufwändige Entwicklungsprozesse und Pilotprojekte alleine nicht stemmen können, bisher wenig Zugang zu Forschungseinrichtungen hatten oder die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg fördern möchten.
Gemeinsam lernen: „Smart City Leaders“ von morgen
Der Weg hin zur Smart City ist kein einmaliges Projekt mit klar definiertem Beginn und Ende. Vielmehr handelt es sich um einen fortwährenden Prozess und jede neue Herausforderung erfordert die Entwicklung neuer Lösungen – heute und in Zukunft. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig in die Aus- und Fortbildung von Smart-City-Führungskräften zu investieren. Und auch hier passiert international bereits viel: Die United Nations University (UNU) bietet am Institut für „Policy-driven Electronic Governance“ etwa Lerneinheiten im Bereich Smart City an. Neben vollständigen Masterstudiengängen können Smart-City-Führungskräfte so auch einzelne Kurse und Einheiten absolvieren und ihr Wissen in einzelnen Bereichen vertiefen.
Andere Universitäten in Europa haben sich ganz der Idee einer grenzüberschreitenden Digitalisierung verschrieben und entsprechende Studienprogramme entwickelt. Studierende können zum Beispiel im Rahmen des EU-geförderten Masterprogramms „Public Sector Innovation and E-Governance“ (PIONEER) nicht nur ihre Fähigkeiten in den Bereichen Innovation und Digitalisierung im öffentlichen Sektor ausbauen, sondern erhalten an den drei Studienorten in Leuven (Belgien), Münster (Deutschland) und Tallinn (Estland) auch direkt Einblicke in die digitale Praxis.
Diese Programme fördern folglich nicht nur individuelle Kompetenzen, sondern schaffen auch das Vertrauen und die Kooperationen, die für grenzüberschreitende Zusammenarbeit notwendig sind. So werden die Studierenden zu zukunftsorientierten Führungskräften ausgebildet, die durch ihre grenzüberschreitenden Netzwerke und Partnerschaften die digitale Transformation vor Ort aktiv mitgestalten.
Weltweit lernen, vor Ort gestalten
Wer sich auf kommunaler Ebene für eine digitale Zukunft engagiert, ist gut beraten, den eigenen Horizont zu erweitern – denn nicht nur in Rosenheim stehen Menschen vor großen Herausforderungen, für die digitale Lösungen Abhilfe schaffen können. Auch in New York, in Rio und vielen anderen großen und kleinen Städten und Gemeinden rund um den Globus arbeiten Menschen gemeinsam an Smart-City-Lösungen für Herausforderungen, vor denen wir alle stehen. Auch wenn die Sportfreunde Stiller mit ihrem Song sicherlich nicht an Smart Cities gedacht haben, passt diese Zeile doch gut dazu: „Die Welt ist groß genug, wir sind nicht allein, zündet ein Leuchtsignal in New York, Rio, Rosenheim.“