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Was macht eigentlich eine lebenswerte Stadt aus? Meine neunjährige Tochter hat darauf eine schnelle Antwort: Ein Strand und ein Pferdehof zum Reiten. Diese Gespräche können Eltern mit ihren Kindern führen; uns führt dieser Blogbeitrag allerdings zu der Frage, wie Smart Cities Kinder und Jugendliche einbinden und welche Themen junge Menschen relevant finden.
Ganz grundsätzlich: Die Bedeutung der Partizipation von Kindern und Jugendlichen
Kinder und Jugendliche haben einen ganz eigenen Blick auf Städte und öffentliche Räume. Ihre Wahrnehmung und ihre Bedürfnisse variieren stark mit dem Alter: Während Kinder den Stadtraum eher spielerisch nutzen und erfahren, setzen sich Jugendliche oft intensiver mit gesellschaftlichen Herausforderungen und der Komplexität von Stadträumen auseinander.
Auch für junge Menschen ist Beteiligung wichtig. Sie fördert Verantwortungsbewusstsein, das Selbstwertgefühl, Diskurskompetenz und das Erleben von Selbstwirksamkeit. Sie stärkt die Identifikation mit der Kommune und das Gemeinschaftsgefühl, was das Vertrauen in staatliche Institutionen erhöht. Zu solch einer Beteiligung gehört allerdings auch die Befähigung von Jugendlichen, also der Aufbau von Kompetenzen und die Vermittlung von Wissen bei ihnen, was grundlegend für eine wirkungsvolle Beteiligung ist.
Hinsichtlich der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen müssen daher die angewandten Methoden an ihr Alter und ihren Entwicklungsstand angepasst sein. Für Kinder ab dem Grundschulalter eignen sich daher eher spielerische Formate wie Malwettbewerbe und die Besprechung von Bildern und Fotos, während für Jugendliche auch abstraktere, digitale Beteiligungsformate sinnvoll sind. Erfahrungen zeigen, dass zudem bestehende Vertrauensverhältnisse zu Jugendlichen förderlich sind – etwa über etablierte Beteiligungsstrukturen wie Jugendräte oder Einrichtungen wie Jugendtreffs.
Wie blicken Jugendliche auf Smart Cities?
Eine Untersuchung der Birmingham City University (Shtebunaev, S., Gullino, S., Larkham, P., 2023) zeigt, dass Jugendliche vor allem ein werteorientiertes Verständnis einer Smart City haben. Hierzu wurden Jugendliche in Manchester, Birmingham, Valencia und Sofia zu digitalen Technologien und Smart Cities befragt. Sie legen Wert auf das Wohl der Gemeinschaft und Gesellschaft und konzentrieren sich auf Themen, die Mensch und Umwelt in den Mittelpunkt stellen.
Die Studie zeigt zudem, dass es bei allen Gemeinsamkeiten auch Unterschiede gibt, welche Themen Jugendliche priorisieren. So stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihrer Befragung und Auswertung fest, dass in Sofia auch wirtschaftliche Themen relevant sind, da diese für das gesamte Land öffentlich diskutiert werden und die Jugendlichen direkt betreffen. In Manchester wurden – obwohl vergleichbarer mit Birmingham – grüne Energien und umweltfreundlicher Verkehr häufiger genannt, zugleich die Förderung mentaler Gesundheit und die Bekämpfung von Rassismus. Dabei versuchten die Jugendlichen auch, technische Zusammenhänge besser zu verstehen, erkannten hier aber auch ihre eignen Grenzen.
Es braucht daher spezifische Formate, um Jugendliche vor Ort einzubinden, ihnen das notwendige Wissen zu vermitteln und um mehr über die aus ihrer Sicht relevanten Themen lernen zu können. Ebenso ist Befähigung ein wichtiges Ziel von Beteiligungsansätzen zu Smart Cities, vor allem zu Möglichkeiten digitaler Technologien für die Stadtentwicklung. Aus Forschungsperspektive sind natürlich vergleichende Ansätze interessant.
Unsere High Five für die Einbindung von Kindern und Jugendlichen
Welche Formate können dies sein? Wir möchten fünf spannende Beispiele vorstellen, die wir wichtig und inspirierend finden. Sie bekommen unser High Five.
1. Einbindung des Jugendrates Münster
Bereits bei der Entwicklung ihrer Smart-City-Strategie hat die Stadt Münster den bestehenden Jugendrat eingebunden. Hierfür werden 30 Jugendliche alle drei Jahre gewählt, um die Interessen der jüngeren Generation zu vertreten. In der Münsteraner Strategie lassen sich die Ergebnisse nachverfolgen. Der Austausch soll fortgesetzt werden, wobei aktuell Neuwahlen anstehen. Die bestehende Struktur und das Vertrauensverhältnis zwischen Verwaltung und den Jugendlichen hat dieses Beteiligungsformat möglich gemacht.
Besonders wichtig erachten die Jugendlichen den Fokus auf Grünflächen im öffentlichen Raum und den Schutz der Biodiversität. Im Hinblick auf Mobilität und Verkehr sieht der Jugendrat, ergänzend zu den weiteren Ergebnissen der Beteiligung, noch Mikromobilitätsangebote und Mobilitätsservices auf Abruf als wichtige Aspekte. Des Weiteren betont der Rat die Notwendigkeit von Chancengleichheit in der Schule und interkulturellen Angeboten und möchte, dass der Bedarf jüngerer Zielgruppen in Museen berücksichtigt und Möglichkeiten für Nachwuchskünstlerinnen und -künstler geschaffen werden. Er plädiert auch dafür, Kooperationen zwischen Schulen, Hochschulen und Betrieben auszubauen, um den Übergang ins Berufsleben zu erleichtern.
2. Smart City – Smart Girls in Regensburg
In Regensburg nutzte das Smart-City-Team im Jahr 2022 den etablierten Girls‘ und Boys‘ Day, um nicht nur über berufliche Perspektiven zu sprechen. Insgesamt 16 Schülerinnen zwischen 12 und 17 Jahren agierten an diesem Tag als Smart-City-Projektkoordinatorinnen und -koordinatoren.
Gemeinsam mit dem städtischen Smart-City-Team entwickelten sie Ideen für ein zukünftiges Regensburg, diskutierten Herausforderungen zu Themen wie Verkehr und Umwelt und setzten ihre kreativen Lösungsideen mit LEGO® und Bastelmaterial um. Dazu gehörten mit Windenergie angetriebene E-Busse auf eigenen Busspuren, smarte mobile Mülleimer und Schiffe für eine bessere Müllentsorgung, Baustellenroboter für schnellere Sanierungsarbeiten und eine unterirdische Raumnutzung, die zu mehr Grünflächen in der Stadt führen soll.
3. Zielgruppenanwält:innen in Bamberg
In Bamberg unterstützen seit 2022 sogenannte „Zielgruppenanwält:innen“ (ZGA) das Smart-City-Team. Dabei beruft sich Bamberg auch auf die Smart City Charta, die Teilhabe als eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung und Entwicklung von Smart Cities betont. Zu den Zielgruppen in diesem Gremium gehören auch Schülerinnen und Schüler sowie und Studierende.
Die ZGA haben in der Strategiephase entwickelte Ideen mit ihrer jeweiligen Perspektive bewertet und sind so aktiv in die Entwicklung von Maßnahmen eingebunden. Heute treffen sich Zielgruppenanwält:innen monatlich und diskutieren spezifische Fragen zu aktuellen Projekten. Die Erfahrung – so ist auch Bamberg zu hören – zeigt allerdings, dass diese Einbindung auch herausfordernd sein kann. Die Nachbesetzung von zwei Schülerinnen nach deren Schulabschluss gestaltet sich aktuell noch schwierig.
4. „Dein Gievenbeck“ in Münster
Konkret wird es in Münster. Im wachsenden Stadtteil Gievenbeck muss ein Jugendtreff verlegt werden und erhält so im neuen Quartierszentrum die Möglichkeit, sich mit einem angepassten Konzept neu aufzustellen.
Im Rahmen des Modellprojektes Smart Cities konnten auch Kinder- und Jugendliche in diesen Prozess eingebunden werden. Zunächst führte das Stadtplanungsamt eine Online-Befragung durch, um ein Stimmungsbild der Kinder und Jugendlichen im Stadtteil zu gewinnen. Ausgestattet mit Tablets erkundeten die Jugendlichen im zweiten Schritt ihr Quartier und dokumentierten Verbesserungspotenziale. Auch hier zeigt sich, so berichtet es Henning Spenthoff aus Münster, dass das Vertrauensverhältnis zwischen der Leitung des Jugendtreffs und den Jugendlichen, die diesen Treff regelmäßig besuchen, ausschlaggebend war.
Das Projekt zielte in Münster vor allem darauf, mehr über Möglichkeiten der Beteiligung zu lernen. Es wurde wissenschaftlich von Fee Thissen begleitet und dokumentiert; und auch im Podcast „Stadtrederei“ geht es um diese und weitere Erfahrungen.
5. Befähigung und Ideenentwicklung mit Hackathons
Bereits in der Strategiephase hat Münster einen Hackathon für Jugendliche ab zwölf Jahren organisiert, gemeinsam mit der Initiative „Jugend hackt“ der gemeinnützigen Vereine Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. und mediale pfade.org – Verein für Medienbildung e. V..
In den Osterferien 2024 fand der zweite Hackathon unter dem Motto „Hack your City“ im städtischen Digitallabor statt. Rund 30 junge Menschen im Alter von 11 bis 17 Jahren haben intensiv programmiert und in Teams an innovativen Lösungen gearbeitet. Dazu gehören etwa smarte Mülleimer für Bushaltestellen, ein Autonomes-Müll-Sammel-Auto (ANSA), eine „Muenster.food.de“-App zur Restaurantsuche oder der „Connect-Bus“ mit dazugehöriger Webseite für flexible öffentliche Verkehrsmöglichkeiten. Dabei geht es auch und vor allem um die Befähigung der Jugendlichen, also die Vermittlung von Zukunftskompetenzen und einem Umgang Technologien und ihrer Bedeutung für die Stadtentwicklung.
Alle guten Dinge sind bekanntlich nicht fünf, in diesem Fall sind es sogar sechs Beispiele, die unser High Five verdient haben.
6. Stadtentwicklung mit Minecraft in Cottbus
In Cottbus zeigt das Modellprojekt „Meine Stadt der Zukunft“ nämlich eindrucksvoll, wie Gamification-Ansätze mit Minecraft genutzt werden können, um junge Menschen zu Themen wie vitale Innenstadt, zukunftsfähige Quartiere, Energiewende sowie Mobilität aktiv einzubinden. Dazu wurden der Fachbereich Stadtentwicklung sowie die Kinder- und Jugendbeauftragte der Stadt durch den Minecraft-Influencer Josef Heinrich Bogatzki alias TheJoCraft unterstützt.
Im Rahmen des Projektes wurden mehrere aufeinander aufbauende Formate umgesetzt, in denen jeweils Minecraft eingesetzt wurde. So gab es zum Beispiel zwei Zukunftswerkstätten mit unterschiedlichen räumlichen Schwerpunkten und einen Ideenwettbewerb zur Umgestaltung der Stadt, der bewusst niederschwellig aufgebaut war. Das gesamte Projekt lässt sich über die Abschlussdokumentation sehr gut nachvollziehen.
Diese sechs Beispiele zeigen, wie vielfältig und kreativ sich die Einbindung von Kindern und Jugendlichen in Smart-City-Prozesse gestalten lässt. Denn sie sind nicht nur kreative Ideengeberinnen und -geber, sondern auch eine wichtige Stimme in der Stadtentwicklung. Und wer bei ihrer Einbindung auf etablierte Strukturen wie Jugendräte setzt und zielgerichtete Initiativen startet, erleichtert ihre Einbindung.
Ein Blick über den Tellerrand lohnt sich ebenfalls: In Wien veranstaltet die Initiative „Junges Wien“ Wettbewerbe mit einem Budget für die Umsetzung von Siegerprojekten. Ein erfolgreiches Beispiel ist die WIENXTRA-Kinderaktiv-App, die Abenteuerausflüge entlang der Wiener Stadtwanderwege ermöglicht. Das zeigt: Kreative digitale Lösungen entstehen vor allem dann, wenn die späteren Nutzerinnen und Nutzer von Anfang an beteiligt sind.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autorin oder des Autors wieder.
Leselinks & Literaturverzeichnis
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