Drei Menschen unterhalten sich vor einem Tisch in einem Ausstellungsraum
Einblick in den "Markt der Möglichkeiten" in Kassel. Harry Soremski

"Social Smart – Barrieren abbauen in der Smart City": Regionalkonferenz in Kassel

Wie können smarte Kommunen alle Bürgerinnen und Bürger erreichen und deren Alltag spürbar verbessern? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Regionalkonferenz der Modellprojekte Smart Cities in Kassel. Ein Fazit: Barrierefreiheit und Chancengerechtigkeit entscheidende Faktoren, um als Kommune Teilhabe und Daseinsvorsorge für alle Menschen zu fördern und eine echte smarte Stadt von morgen zu werden.

Event details

Datum
05.12.2024, 09:30 - 17:30
Art der Veranstaltung
Offline (persönlich)
Dokumentation
Veranstaltungsort

Kulturbahnhof Südflügel Kassel
Rainer-Dierichs-Platz 1
34117 Kassel
Deutschland

Paragraphs

Gruppenbild mit den Eröffnungsrednern der Konferenz
Die Eröffnungsredner und -vortragenden gaben vielfältige Impulse. V.l.n.r.: Karsten Moog, Norbert Wett, Antje Grobe, Per Busch, Ralf Schüle und Michael Huch. Harry Soremski

Am 5. Dezember 2024 trafen sich rund 100 Teilnehmende im Kulturbahnhof in Kassel zur 18. Regionalkonferenz der Modellprojekte Smart Cities (MPSC). Sie diskutierten unter dem Titel „Social Smart – Barrieren abbauen in der Smart City“ die Frage, wie Kommunen mehr Miteinander und gesellschaftliche Teilhabe in einer digitalen Welt ermöglichen können. 

Bereits in den einleitenden Beiträgen wurde deutlich: Smarte Technologien sind kein Selbstzweck, sondern ein Instrument, um Inklusion und Chancengerechtigkeit zu fördern. Das Konzept einer „Social Smart“ City stand dabei exemplarisch für diese Leitidee.

 

Digitale Gerechtigkeit: Smarte Ansätze für gesellschaftliche Teilhabe

 „Social smart“, chancengerecht, zukunftssicher – Für das MPSC „Smart Kassel“ gehören diese Begriffe untrennbar zusammen. Das hob Norbert Wett, Dezernent der Stadt Kassel für Bürgerangelegenheiten, Soziales, Digitalisierung und Tourismus, in seiner Eröffnungsrede hervor: In Kassel werde Digitalisierung als Instrument gesehen, um Barrieren abbauen und Teilhabe fördern zu können. Es gehe darum, Menschen an die Hand zu nehmen, ihnen Angebote zu geben, digitale Lernorte und echte Unterstützung und Beteiligung zu ermöglichen. Auch Ralf Schüle, Forschungsreferent Digitale Stadt im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), betonte in seinem Grußwort, wie gut das Thema zu Kassel passe, einer Stadt, die das Konzept „Social Smart“ schon früh in ihrer Smart-City-Strategie verankert habe.

 

„Neue Technologien für das Gemeinwohl einsetzen und die digitale Souveränität eines jeden Einzelnen stärken, dafür steht die Smart City Kassel. Die intelligente Stadt von morgen denkt das Soziale und Digitale zusammen.“

Norbert Wett, Dezernent der Stadt Kassel für Bürgerangelegenheiten, Soziales, Digitalisierung und Tourismus.

 

Michael Huch, Leiter der KTS, skizzierte die Herausforderungen, vor denen Kommunen stehen: So erfordere unter anderem der demografische Wandel innovative Lösungen. Er verwies zugleich darauf, dass von den Erfahrungen und Erkenntnissen aus dem Förderprogramm Modellprojekte Smart Cities bereits heute viele Kommunen in Deutschland profitieren würden. 

Wie eine sozial-digitale Stadt aussehen kann, das präsentierte Karsten Moog, Leiter des neu eingerichteten Amtes „Digitales und IT“ der Stadt Kassel. Das MPSC „Smart Kassel“ setzt etwa auf sozial-digitalen Ankerorte im Quartier oder das „Smart Age Mobil“, welches generationsübergreifend vor Ort im Quartier über digitale Themen informiert und zum praktischen Ausprobieren einlädt. Auch Sven Schöller, Oberbürgermeister von Kassel, betonte in einer Videobotschaft, wie wichtig es ist, unterschiedliche Bevölkerungsgruppen frühzeitig einzubinden. 

Präsentation Karsten Moog zum MPSC Kassel

Erklärvideo „Auf der Suche nach der intelligenten Stadt“ – [wird noch ergänzt]

 

Per Busch, Begründer der Plattform dubistblind.de und Ideengeber zum sogenannten Fernassistenz-Projekt für blinde und seheingeschränkte Menschen, plädierte in seinem Impuls  dafür, eher von „Zugänglichkeit“ als von „Barrierefreiheit“ zu sprechen. Wichtig sei es zudem, Berührungsängste zu überwinden und Menschen mit Behinderungen als Expertinnen und Experten in Beteiligungsformate mit einzubeziehen. 

 

Smarte Entdeckungen: Austausch und Inspiration auf dem „Markt der Möglichkeiten"

Eine Frau betrachtet eine Stellwand in einer Ausstellung
Eine Teilnehmerin informiert sich auf dem „Markt der Möglichkeiten“ zum Angebot der „Smart Service Points“ der Stadt Kassel. Harry Soremski

Auf dem „Markt der Möglichkeiten" präsentierten sich in Kassel Projekte, die im Rahmen der Crowdfunding-Kampagne „Smarte Ideen für Kassel“ entstanden waren. Zum Beispiel das Projekt ELAS, das Hilfsangebote für Migrantinnen kartiert und das PIKSL-Labor aus Kassel, eine analoge Anlaufstelle für digitale Beteiligungsangebote. Außerdem dabei: das „Digitale Pizzaofen-Modell“ aus Gütersloh, als mandantenfähiges SaaS-Modell für Kommunen („Urban Stack“), das Gamification-Projekt „Smart Waste Agency“, das spielerisch für Abfallvermeidung sensibilisiert, oder Start Smart, ein Beratungsangebot, das besonders nicht geförderte Kommunen adressiert. 

Die Teilnehmenden nutzten die Gelegenheit, Ideen auszutauschen und Anregungen für die Umsetzung in den eigenen Kommunen mitzunehmen. Es wurde deutlich, wie wichtig niederschwellige und mobile Formate sind, um alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen.

Übersicht der Ausstellenden auf dem „Markt der Möglichkeiten" in Kassel

 

Impressionen vom „Markt der Möglichkeiten"

Workshops und Diskussionen: Gemeinsam Lösungen entwickeln

In den Workshops am Nachmittag konnten die Teilnehmenden einzelne Themen vertiefen und erfahren, wie sie konkret mit digitalen Hilfsmitteln Barrieren abbauen, alle Menschen auf dem Weg zur Digitalisierung mitnehmen oder erste Schritte auf diesem Weg machen können.

So lag der Fokus in Workshop A darauf, wie digitale Werkzeuge Barrieren abbauen können. Dabei wurden Praxisbeispiele wie der Digitale Wegweiser für Menschen mit Hilfebedarf oder Konzepte für digitale Bildungsangebote in benachteiligten Quartieren vorgestellt. Teilnehmende berichteten von ersten Erfolgen, betonten aber auch, dass es oft Mut und politische Unterstützung braucht, um innovative Ansätze zu realisieren.

 

Dokumentation der Workshops

Workshop A: Mit digitalen Hilfsmitteln Barrieren abbauen

Workshop B: Alle mitnehmen auf dem Weg zur Digitalisierung

Workshop C: Beginner Wege in die Smart City

Impressionen aus den Workshops

Panel-Diskussion: Von den Potenzialen und Grenzen digitaler Assistenzsysteme

Fünf Panel-Teilnehmende diskutieren auf einer Bühne
Die Panel-Diskussion am Nachmittag. V.l.n.r.: Thomas Krämer, Susanne Kruchen, Antje Grobe, Ralf Schüle, Carsten Mauritz. Harry Soremski

Wie kommt das Digitale zu den Menschen, die es brauchen? Oder der Mensch zu den digitalen Hilfsangeboten? Um Fragen wie diese ging es in der abschließenden Podiumsdiskussion. Unter der Frage: „Nimmt die Smart City alle mit?“ diskutierten Ralf Schüle, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Carsten Mauritz, Modellprojekt Smart Cities Kassel, Susanne Kruchen, Geschäftsstelle Smarte Region Hessen und Thomas Krämer, Vizepräsident Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. über Chancen und Herausforderungen inklusiver Digitalisierung 

Susanne Kruchen nannte mit der „Best-Practice-Datenbank“ und der Toolbox „Tools für smarte Projekte“ auf der Plattform Smarte Region Hessen gleich zwei gute Beispiele für Unterstützungsangebote vor. Carsten Mauritz ging darauf ein, wie wichtig es für das Team „Smart Kassel“ gewesen sei, sich früh auf die Zielgruppen zu fokussieren und eine ämterübergreifende Abstimmung auch innerhalb der Verwaltung anzustreben. Thomas Krämer berichtete es aus eigener Erfahrung, wie wertvoll für sehbehinderte Menschen digitale Tools und deren Potenziale geworden seien. Gerade das Smartphone sei für ihn ein „Aha-Erlebnis“ gewesen. Dennoch gebe es Grenzen – und für diese Menschen, weil sie entweder nicht technik-affin oder körperlich eingeschränkt sind, sollte es eine Verknüpfung mit Assistenzsystemen geben. 

 

Sozial-digital in die Zukunft: Exkursion in den Future Space

Menschen in einem Ausstellungsraum mit technischen Exponaten und Schautafeln
Die Exkursion in den "Future Space" begann mit einem Vortrag zur Geschichte des Ortes und Projekts. Harry Soremski

Mit einer Exkursion in den „Future Space“, einem sozial-digitalen Innovationsraum in der Kasseler Innenstadt, endete die Konferenz. Die Teilnehmenden konnten erleben, wie dieser Raum  als Experimentierfeld für neue Ideen und Technologien dient. Das abschließende Get-together bot Gelegenheit, Netzwerke zu erweitern und konkrete Kooperationsideen zu besprechen.

 

 

Fazit: Inklusion und Zugänglichkeit als Schlüssel smarter Kommunen

Die 18. Regionalkonferenz der Modellprojekte Smart Cities verdeutlichte eindrucksvoll, dass Digitalisierung mehr sein muss als technologische Innovation. Sie muss soziale Herausforderungen adressieren und Barrieren abbauen, um allen Menschen Zugang zu den Chancen der Digitalisierung zu ermöglichen.

Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehörten:

  • Technik ist nur ein Mittel zum Zweck: Smarte Technologien sollten immer dem Ziel dienen, Menschen zu befähigen und gesellschaftliche Teilhabe zu fördern. Bei Smart Cities geht es nicht nur um die Technik, sondern auch darum, die Menschen an die Hand zu nehmen, und Räume, Orte oder Assistenzsysteme zu ermöglichen, die sie dabei unterstützen, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. 
  • Frühzeitige, zielgruppengerechte Planung: Aspekte wie Barrierefreiheit und Zugänglichkeit müssen von Beginn an in die Projektplanung integriert werden. Smarte Kommunen sollten sich vor allem fragen, warum sie etwas entwickeln wollen. Was ist das Ziel, die erwünschte Wirkung ("Outcome") einer Maßnahme? Wer ist die Zielgruppe? Wie können wir sie erreichen?
  • Beteiligung diverser Gruppen: Menschen mit Einschränkungen, ältere und sozial Benachteiligte sollten als Expertinnen und Experten frühzeitig in den Entwicklungsprozess einbezogen werden. Von dieser inklusiven Diversität profitiert schließlich die gesamte Stadtgesellschaft. „Ohne uns geht es nicht." (Per Busch) 
  • Niedrigschwellige Ansätze: Mobile Angebote wie das „Smart Age Mobil“ können dazu beitragen, bisher unerreichte Bevölkerungsgruppen zu integrieren.
  • Politische Unterstützung: Ohne den politischen Willen, Inklusion als Leitprinzip zu verankern, bleiben viele Projekte wirkungslos. Smart-City-Projekte barrierefrei beziehungsweise für alle zugänglich zu gestalten ist kein Nice-to-Have, sondern wesentlich - und in der Wirkung eine bereichernde Erfahrung für alle. Selbst wenn die Anforderungen zur Barrierefreiheit oder Zugänglichkeit („Wir nehmen alle mit!") nicht zu 100 % erfüllt werden können, sollten Kommunen diesen Anspruch bestmöglich erfüllen sowie früh und nachhaltig mitplanen – und sich auch politisch für Konzepte wie „social smart“ engagieren!
  • Datenstrategien: Datenplattformen sind wichtige technische Grundlagen, idealerweise basierend auf Open-Source-Strukturen. Hierzu brauchen Kommunen frühzeitig eine Datenstrategie und entsprechende Ressourcen: Welche Daten brauchen Kommunen wirklich, und wie kann sie diese richtig, nachhaltig und sicher zusammenführen und auswerten?
  • Innovation und Kooperation von Teams und Kommunen: Keine Top-Down-Ansätze. Silos aufbrechen. Verwaltung mitnehmen. Kontakte nutzen. Sich trauen, für breite Beteiligung der Bevölkerungsgruppen neue Wege zu gehen, zum Beispiel indem die Teams „rausgehen und ihre Angebote bewusst auf die Zielgruppen ausrichten (Ü60, Jugendliche oder soziale Brennpunkte), Crowdfunding nutzen oder ungewöhnliche, analoge oder mobile Anlauforte schaffen. Beispiel: Das „Smart Age Mobil“ oder der „Digitale Wegeweiser für Menschen mit Hilfebedarf“ in Kassel.

 

Die Veranstaltung in Kassel war ein wichtiger Schritt, um die Idee einer „Social Smart City“ weiter voranzutreiben. Sie zeigte, dass es nicht nur um technologische Exzellenz geht, sondern darum, eine lebenswerte und gerechte Zukunft für alle zu gestalten.

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